Dysgnathie
Korrektur von Kieferfehlstellungen Wächst ein oder beide Kiefer zu viel oder zu wenig, ist oft eine
chirurgische Korrektur notwendig

Genetisch bedingt (Vererbung) oder z.B. durch Fehlfunktion von Zunge, Lippen, Kaumuskulatur und/oder durch unphysiologische Kieferhaltung z.B. Mundatmung kann es zur Fehlentwicklung ein oder beider Kiefer kommen und somit zu einem falschen Biss (Dysgnathie). D.h. Ober- und Unterkiefer entwickeln sich unterschiedlich, dass diese nicht zusammenpassen.

Die Zähne wiederum stehen im Knochen des Ober- und Unterkiefers, d.h. der Kieferknochen bildet die feste Basis für die Zähne. Sind die Kiefer stark verschoben, stimmt der ganze Biss nicht mehr, was zu einer falschen Position der Kiefergelenke führen kann und somit eine Körperfehlhaltung mit ihren ganzen negativen Folgen nach sich ziehen kann.

Eine Fehlhaltung des Kiefergelenks und des Körpers kann zu Kiefergelenksschmerzen, Kopf-, Rücken- und Nackenschmerzen führen (siehe auch CMD). Im Kindes- und Jugendalter kann man bereits durch eine kieferorthopädische Therapie mit herausnehmbarer und festsitzender Zahnspange einer Dysgnathie, also einer Fehlentwicklung der Kiefer entgegenwirken.

Sowohl zu wenig Wachstum als auch zu starkes Wachstum eines oder beider Kiefer kann zu einer Dysgnathie führen. Ist das Wachstum abgeschlossen, kann oft nur eine chirurgische Korrektur (Umstellungsosteotomie) der Kiefer helfen, um den richtigen Biss wiederherzustellen. Bei leichten Abweichungen kann man den Biss auch durch moderne innovative Techniken ohne OP lösen.

Proportionen
und Ästhetik Welche Rolle spielt das für unser Gesicht?

Schönheit liegt im Auge des Betrachters! Aber liegt sie da wirklich? Innerhalb von einer zehntel Sekunde entscheiden wir, ob uns jemand gefällt, also z.B. ob jemand vertrauenswürdig ist oder nicht. Von Geburt an bevorzugen wir attraktive Menschen und das bleibt das ganze Leben lang so.

Dem Reiz des Schönen sind wir ausgeliefert. Er manipuliert uns, auch wenn wir das nicht wahr haben wollen. Kleinkinder betrachten die Gesichter am längsten, die auch Erwachsene schön finden. Das empfinden für Schönheit, ist uns in die Wiege gelegt und das gilt kulturübergreifend.

Forscher sind davon überzeugt, dass Schönheit eine Botschaft für den Partner ist. Ein schönes Gesicht signalisiert verborgene Qualitäten, wie Gesundheit und ein intaktes Immunsystem. Selbst wenn wir glauben frei von solchen Überlegungen zu sein, werden wir doch sehr stark von unserem Unterbewusstsein bei unseren Entscheidungen beeinflusst.

Doch was genau ist es, was uns fasziniert? Was macht die Schönheit eines Gesichtes aus? Eine Schönheitsformel gibt es nicht, jedoch gibt es einige Merkmale die eine entscheidende Rolle spielen.

Das Wichtigste ist die Symmetrie eines Gesichts, um es als attraktiv zu empfinden. Starke Asymmetrien können Entwicklungsstörung und Krankheiten vortäuschen. In einem Männergesicht wirken offensichtlich schmale Wangen anziehend, ein markantes Kinn und hohe Wangenknochen, sowie klare Linien.

Bei Frauen sind deutlich mehr Schönheitsfaktoren auszumachen. Ein schmales Gesicht, hohe Wangenknochen und ein weiter Augenabstand- sowie kindliche Züge. Weitere Attribute sind eine hohe Stirn, große Augen, zierliche Nase, zierliches Kinn sowie glatte jugendliche Haut. Die Stirn, das Mittelgesicht und das untere Gesichtsdrittel stehen in einem symmetrischen harmonischen Verhältnis zueinander.

Beeinflussung der
Gesichtsharmonie

Ist das Wachstum entgleist, empfinden wir ein Gesicht nicht mehr als harmonisch. Frauen mit einem zu prominenten Unterkiefer (Progenie oder mandibuläre Prognathie) haben meist markante, harte Gesichtszüge, die weichen femininen Gesichtszüge fehlen. Obwohl Menschen mit einem prominenten Unterkiefer als zielstrebig, mutig, willensstark gelten, finden viele betroffene Menschen ihren prominenten Unterkiefer oder ihr prominentes Kinn nicht attraktiv.

Dabei muss nicht unbedingt der scheinbar zu große Unterkiefer der Schuldige sein. Durch eine Unterentwicklung des mittleren Gesichtsdrittels (Oberkiefer und Nasenbereich) scheint der Unterkiefer in Relation zum Oberkiefer zu weit vorne zu stehen, d.h. der Oberkiefer liegt zu weit zurück und ist eigentlich der Schuldige an der unharmonischen Gesichtsproportion. Hier ist es wichtig, dass auch das Mittelgesicht maßgeblich in die Therapie mit einbezogen wird.

Andersherum fehlt bei Menschen mit einem zurückliegenden Unterkiefer oft das Kinn. In extremen Fällen geht das Kinn direkt in den Hals über (siehe Bild oben Retrogenie). Erscheint der Unterkiefer zu klein, kann es sein, dass der Oberkiefer zu weit vorne liegt, also zu groß gewachsen ist. Meistens handelt es sich jedoch um eine Rücklage oder Unterentwicklung des Unterkiefers. Menschen mit einem stak nach hinten fliehendem Kinn gelten beispielsweise als verweichlicht, unsicher oder einfältig. Diese Aussage trifft sehr wahrscheinlich nicht auf die Realität zu und kann keinesfalls verallgemeinert werden, jedoch ist es auch hier so, dass viele Menschen ihr äußeres Erscheinungsbild als unattraktiv empfinden.

Der individuelle
Gesichtstyp

In Europa werden Gesichter mit gleichmäßiger Gesichtsdrittelung am attraktivsten bewertet, wenn das Kinn leicht zurück liegt und die Unterlippe etwas hinter der Oberlippe liegt. Also ein konvexes Profil mit prominentem Lippenbereich wird von der Mehrheit der Bevölkerung als positiv gesehen.

Jedoch lässt sich dieses nicht verallgemeinern, denn es muss immer der individuelle Gesichtstyp bei einer Therapie berücksichtigt werden. Für die meisten Patienten steht das ästhetische Ergebnis des Gesichtes im Vordergrund, was natürlich verständlich ist. Jedoch darf die Stellung der Zähne und die Funktion des Bisses nicht in den Hintergrund geraten. Deshalb ist eine exakte Therapieplanung durch einen Fachzahnarzt für Kieferorthopädie und einem Mund- Kiefer- und Gesichtschirurgen von Anfang an sehr wichtig und eine interaktive Kommunikation zwischen Kieferorthopäde und Chirurg das Fundament einer erfolgreichen Therapie.

Berücksichtigung
des Kieferwachstums Ab welchem Alter kann eine Operation
der Kiefer stattfinden?


Ist das Körperwachstum noch nicht abgeschlossen, wachsen die Kiefer nach der Operation weiter. Dieses kann unter Umständen dazu führen, dass sich der Biss wieder verschiebt. Deshalb kann man grundsätzlich sagen, dass eine Operation der Kiefer erst stattfinden sollte, sobald das Kieferwachstum abgeschlossen ist.

Das Hauptwachstum von Frauen ist zwischen dem 16. und 18. Lebensjahr weitestgehend abgeschlossen. Männer wachsen oft noch etwas länger und schließen ihr Hauptwachstum zwischen dem 17. und 19. Lebensjahr ab. Jedoch gibt es keine Faustregel für das richtige Alter einer Dysgnathieoperation, denn die Entscheidung muss für jeden Patienten individuell getroffen werden anhand von Schweregrad und Art der Dysgnathie, Psyche, Wachstum und funktioneller Beeinträchtigung.

Ist ein Jugendlicher im Alter von 14 Jahren bereits von einer starken Fehlstellung der Kiefer betroffen, kann nicht richtig Kauen und wird wegen seines Aussehens in der Schule gemobbt, kann eine Dysgnathieoperation bereits im Alter von 14 Jahren erfolgen. Bei einer Operation in so jungen Jahren muss bedacht werden, dass eine zweite OP Anfang bis Mitte 20 notwendig werden kann, da der Körper und die Kiefer noch weiter wachsen.

Die Entscheidung für den richtigen Zeitpunkt einer Operation der Kiefer sollte durch einen Fachzahnarzt für Kieferorthopädie zusammen mit einem erfahrenen Mund- Kiefer- Gesichtschirurgen erfolgen. So kann sichergestellt werden, dass die Operation zum richtigen Zeitpunkt durchgeführt wird und nur einmal erfolgen muss.

Der Ablauf einer plastisch
dysgnathie-chirurgischen Behandlung Herstellung eines ästhetischen und funktionellen Gleichgewichtes

Ziel der plastischen Dysgnathiechirurgie ist es, die skelettale Anomalie in einer „kombiniert kieferorthopädisch-kieferchirurgischen Behandlung“ zu korrigieren und in ein ästhetisches und funktionelles Gleichgewicht herzustellen. Bevor ein chirurgischer Eingriff (Umstellungsosteotomie) an den Kiefern vorgenommen werden kann, müssen einige vorbereitende behandlerische Maßnahmen getroffen werden, denn ausgeprägte skelettale Fehlstände (knöcherne Fehlstellungen) können nicht ausschließlich mit einer festen Zahnspange (Multibracketapparatur) korrigiert werden.

Bevor die Behandlung anfängt, erfolgt ein erstes Gespräch mit einem Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen (MKG). Hier wird der Behandlungsablauf besprochen und auf die individuellen Wünsche des Patienten eingegangen.

Nach diesem Termin können anhand von Fotos Vorher-Nachher-Bilder (VTO) erstellt werden. Mit einem speziellen Computerprogramm wird eine virtuelle OP (VTO = visual treatment objektive) durchgeführt. Der Patient kann so schon vorher sehen, wie er/sie nach der OP aussehen könnte und so leichter eine Entscheidung treffen, ob eine Operation überhaupt in Frage kommt.

Sollten Sie sich entschieden haben, beginnt die Behandlung in unserer Praxis. Dabei unterteilt sich die gesamte Behandlung in 5 Phasen, die je nach Schweregrad der Dysgnathie individuell anfallen und individuell lange dauern.

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Funktionstherapeutische Phase

Die funktionstherapeutische Phase ist eine sehr wichtige Vorbehandlung- für Patienten mit Kiefergelenksbeschwerden oder orthopädische Beschwerden- wie z.B. chronischen Nacken-, Schulter-, Rücken- oder Kopfschmerzen. Sind Kiefergelenk und Körper gesund, ist eine funktionstherapeutische Vorbehandlung mit einer Schiene nicht unbedingt erforderlich.

Bei Kiefergelenksbeschwerden (CMD) oder körperlichen Beschwerden- sollten die Kiefergelenke vorher mittels Schienentherapie in ein funktionelles Gleichgewicht gebracht werden. Durch diese gezielte Behandlung kann ein funktionelles Gleichgewicht am ganzen Körper hergestellt werden, um so chronische Beschwerden für immer in den Griff zu bekommen.

Ist ein beschwerdefreier Zustand erreicht, liegen die Kiefergelenke in einer neuen stabilen Position und die kieferorthopädische Phase kann beginnen.

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Prechirurgische Phase

Sind die Kiefer zu schmal gewachsen, müssen diese zuvor geweitet werden. Die Kiefer bilden die Basis für gesunde Zähne. Ist die Basis zu klein, stehen die Zähne oft schief, weil sie keinen Platz haben.

Bei vielen Menschen ist der Oberkiefer betroffen. Dieser kann mit einer GNE (Gaumennahterweiterungsapparatur) erweitert werden. Da der Schädel bis zum 18. Lebensjahr schon soweit verknöchert ist, dass eine alleinige Weitung des Kiefers mit einer GNE nicht ausreichend ist, wird der Oberkiefer vorher in einer ersten Operation unter Vollnarkose leicht geschwächt, um eine schonende Weitung zu ermöglichen. Dieser Eingriff verläuft relativ komplikationslos und wird von den meisten Patienten nicht als unangenehm empfunden.

Ist der Unterkiefer zu schmal, wird dieser durch einen sogenannten Distraktor geweitet. Auch hier ist eine vorherige chirurgische Schwächung des Unterkiefers (Mandibula) nötig. Sowohl die Gaumennahterweiterungsapparatur als auch den Unterkieferdistraktor können wir durch moderne Techniken so gestalten, dass diese von außen nicht sichtbar sind und zusammen mit einer festen Zahnspange getragen werden können. Dieses garantiert maximalen Behandlungserfolg bei kürzester Behandlungsdauer. Dadurch kann die gesamte Behandlung bis zu einem halben Jahr verkürzt werden.

Sind sowohl Ober- als auch Unterkiefer breit genug und müssen vorher nicht geweitet werden, kann direkt mit der Zahnspange begonnen werden (kieferorthopädische Phase). Ein erster chirurgischer Eingriff ist dann nicht notwendig.

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Kieferorthopädische Phase

Bevor die Kiefer operiert werden, müssen die Zahnbögen bzw. die Zähne mit einer Zahnspange passend zueinander gemacht werden, denn Ober- und Unterkieferzahnbogen greifen wie zwei Zahnräder ineinander. Passen die Kiefer nicht zusammen, hat der Chirurg es schwer die Kiefer richtig einander zuzuordnen.

Wenn man heute von einer festen Zahnspangen redet, muss das nicht unbedingt heißen, dass man sichtbare Brackets von außen auf die Zähne kleben muss. Heutzutage können wir auf hoch moderne Zahnspangen zurückgreifen, die nahezu unsichtbar sind.

Die Behandlungsdauer mit einer festen Zahnspange, um die Zahnbögen für die OP auszuformen, dauert je nach Umfang ca. 6 - 12 Monate. Die Zahnspange bleibt während der Operation im Mund und wird nicht entfernt, denn nach der erfolgreichen Umstellungsosteotomie müssen die Zähne noch fein eingestellt werden, damit der Biss 100% stimmt.

Passen die Zahnbögen zueinander, kann mit dem chirurgischen Teil begonnen werden.

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Plastisch dysgnathiechirurgische Phase

Passen die Zahnbögen aufeinander, kann mit der chirurgischen Umstellung der Kiefer begonnen werden (Umstellungsosteotomie). Vor dem chirurgischen Eingriff erfolgt eine erneute Vorstellung bei einem unserer Partnerchirurgen. Dieser bespricht mit Ihnen den kompletten Operationsablauf und zeigt Ihnen Anhand eines VTO (visual treatment objektive), wie Ihr Gesicht nach der Operation aussehen könnte. Sind alle Fragen rund um die Operation geklärt, kann die eigentliche Operation durchgeführt werden.

In der Regel werden Sie ein Tag vor der OP stationär aufgenommen. Der komplette Eingriff findet am darauf folgenden Tag unter Vollnarkose statt. Die OP dauert je nach Umfang und Komplexität 1,5 bis 4 Stunden.

Werden Ober- und Unterkiefer gelöst und dreidimensional so verschoben, dass die Kiefer zueinander passen, spricht man von einer bignathen Verlagerung der Kiefer. Wird nur ein Kiefer isoliert verlagert, spricht man von einem monognathen Vorgehen (isolierte Ober- oder Unterkieferverlagerung). Die Kiefer werden mittels zuvor angefertigter OP-Splinte neu einander zugeordnet und mit Minilochplatten (Osteosyntheseplatten) und kleinen Schrauben am Schädel fixiert, sodass sie stabil in einer Position zum Liegen kommen. Eine Verdrahtung der Kiefer, sodass man den Mund nicht mehr öffnen kann, ist heutzutage nicht mehr nötig. Sollte das Kinn zu klein oder zu groß sein, kann dieses während der OP mit korrigiert werden.

Nach der OP wird Ihr Gesicht mit einer Kühlmaske gekühlt. Dieses beugt Schwellungen und Schmerzen vor. Nach etwa 2-5 Tagen, je nach Umfang des Eingriffs, werden Sie nach Hause entlassen. Sie sind i.d.R. für ca. 2 Wochen krank geschrieben. Die Nahrung muss in den ersten Wochen nach OP weich sein, um eine Belastung der Kiefer zu vermeiden. Am besten eignet sich pürierte Nahrung wie Smoothies oder weiche Nudeln.

Die Nachkontrollen finden im Wechsel bei dem behandelnden Chirurgen und in unserer Praxis statt. Da oft resorbierbare Fäden (selbstauflösende Fäden) benutzt werden, wird ein Fädenziehen unnötig.

Sind die Kiefer gut verheilt und haben eine stabile Lage erreicht, werden nach etwa 6 - 12 Monaten die Osteosyntheseplatten und die Schrauben in einer zweiten OP unter Vollnarkose entfernt. Dieser zweite Eingriff erfolgt in der Regel relativ komplikationslos und eine Krankschreibung ist meistens für max. eine Woche nötig. Da es sich nur um eine Entfernung der Halteplatten handelt, können Sie relativ schnell normal essen. Sollte man sich anfangs unsicher wegen einer Kinnkorrektur gewesen sein, hat man in der zweiten OP die Möglichkeit eine Kinnkorrektur nachzuholen.

Haben Sie spezifische Fragen zu Ihrer Kieferfehlstellung oder zum Behandlungsablauf, vereinbaren Sie doch einfach einen unverbindlichen Beratungstermin mit uns.

Das „Surgery First“ Konzept

Das „Surgery First“ Konzept beinhaltet primär einen anderen Behandlungsablauf. Normalerweise werden die Zahnbögen zuerst mit einer Zahnspange (Brackets, Lingualtechnik, Invisalign) ausgeformt und passend zueinander gemacht. Dadurch kann der Kieferorthopäde sehr genau sehen, in welche Position die Kiefer zueinander operiert werden müssen, damit der Biss hinterher stimmt. Erst wenn der Kieferorthopäde sicher ist, dass die Kiefer zueinander passen, überweist er den Patienten zur Dysgnathieoperation zu dem behandelnden Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen. Jetzt findet die Umstellungsoperation (Umstellungsosteotomie) der Kiefer statt. Nach der Operation erfolgt die Feinausformung der Zahnbögen.

Bei der Surgery First Behandlung werden die Kiefer zuerst operiert und anschließend wird die Zahnspange eingegliedert. D.h. die Ausformung der Zahnbögen findet erst nach der Kieferoperation statt. Dadurch soll primär eine Verkürzung der Behandlungsdauer erreicht werden. Die Behandlungsdauer hängt jedoch nicht von dem Behandlungsablauf ab sondern von der Erfahrung des behandelnden Kieferorthopäden und des behandelnden Kieferchirurgen.

D.h. wird eine Surgery First Behandlung nicht genau geplant und chirurgisch nicht richtig umgesetzt, kann die gesamte Behandlung im Zweifel viel länger dauern, da Komplikationen auftreten können, die vorher so nicht absehbar waren.

Beispielsweise Kiefergelenksschmerzen, Kiefergelenksknacken und/oder Zahnbögen, die nicht richtig aufeinander passen (falscher Biss). Im Extremfall muss die komplette Operation wiederholt werden.

Das Konzept „Surgery First" eignet sich nicht für alle Formen von Kieferfehlstellungen und vor allem der Kieferorthopäde und der Chirurg brauchen viel Erfahrung, um die Operation richtig zu planen und durchzuführen.

Die korrekte chirurgische Einstellung ist äußerst kompliziert, wenn die Zahnbögen nicht vorbereitet sind. Der konventionelle Ablauf dauert bei einer exakten Planung und durch die Auswahl der richtigen Zahnspangen ca. 1,5 Jahre und kann unter umständen auf 1 Jahr aktive Behandlungsdauer verkürzt werden. Der Vorteil des konventionellen Behandlungskonzeptes sind die Sicherheit, da evtl. Schwierigkeiten bzgl. der Zahnbewegung, der Kiefergelenke und des Ausmaß der notwendigen Verschiebung der Kiefer schon vorher erkannt werden und entsprechend reagiert werden kann.

Falls Sie sich unsicher sind, beraten wir Sie gerne.

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Feineinstellung und Retentions-Phase

Nach erfolgreicher Operation ist ein vorläufiges Ergebnis erreicht. Das Ende der Behandlung ist in Sicht. Mit der festen Zahnspange wird die feine Justierung der Zähne vorgenommen, sodass die einzelnen Zahnkontakte stimmen und der Biss in seiner Funktion stimmt (Okklusion). Ist dieses erreicht, kann die Zahnspange entfernt werden.

An die aktive Behandlungsphase mittels Zahnspange schließt sich die Retentionsphase an. Dafür werden Retentionsspangen nachts getragen, um eine stabile Zahnstellung und die Funktion des Bisses zu festigen. Zusätzlich können noch Retainer hinter den Zähnen im Ober- und Unterkiefer eingesetzt werden, um die Zahnstellung perfekt zu halten.

Meistens werden in dieser Behandlungsphase die Osteosyntheseplatten wieder aus dem Kiefer entfernt. Dies geschieht unter Vollnarkose und einem kurzen stationären Krankenhausaufenthalt. Die OP-Wunden sind sehr klein und nach diesem Eingriff ist eine schnelle Genesung die Regel.

Möchten Sie jetzt noch eine Kinnplastik (Genioplastik) durchführen lassen, so ist auch dieses jetzt noch möglich. Auch können während dieser Vollnarkose Zahnimplantate problemlos gesetzt werden.

Vor- und Nachteile
der Dysgnathie-operation

Vorteile

  • kürzere Behandlungszeit
  • Positive Veränderung der Gesichtsästhetik
  • Beteiligung an den Kosten durch die Krankenkassen
    (vor allem gesetzlich, privat mit Beihilfe)
  • Optimales Ergebnis von Funktion und Ästhetik möglich

Nachteile

  • Allgemeine Risiken einer Operation
  • Krankschreibung (je nach Umfang 2 bis 4 Wochen)
  • Schwellung und leichte Sensibilitätsstörungen können
    vereinzelt auftreten

Erfolg
und Misserfolg Was ist entscheidend für den Erfolg der Behandlung?

Wenn man durch das Internet surft, findet man viele Artikel, Beiträge und Bilder über Dysgnathieoperationen. Neben sehr vielen tollen Beispielen von gelungenen Operationen und zufriedenen Patienten gibt es auch viele Negativbeispiele. Dabei wird von Kiefergelenksschmerzen, massiven Taubheitsgefühlen, mangelhafte Gesichtsästhetik usw. berichtet. Das kann natürlich erstmal etwas abschrecken und lässt an solchen Operationen zweifeln.

Für einen Erfolg einer kombinierten kieferorthopädischen und kieferchirurgischen Behandlung ist ein Zusammenspiel zwischen Kieferorthopäde und Mund-Kiefer-Gesichtschirurg unerlässlich. Ein Chirurg kann nur so gut operieren, wie der Kieferorthopäde die Kiefer vorbereitet hat. Die gesamte Fallplanung und Vorbereitung liegt in der Hand des Kieferorthopäden. Der Kieferorthopäde muss den Patienten zu Beginn der Behandlung umfassend untersuchen. Es müssen alle Probleme wie z.B. Kiefergelenksbeschwerden (z.B. Kiefergelenksknacken oder Schmerzen), myofunktionelle Probleme (z.B. falsche Zungenfunktion), Zahnfehlstellungen und Schädel- und Kiefermorphologie erfasst werden. Aus allen gesammelten Befunden wird eine Diagnose gestellt und ein umfassender Behandlungsplan geschrieben.

Existieren Kiefergelenksprobleme, sollten diese vorher durch die richtige Schienentherapie wegbehandelt sein. Manchmal ist es notwendig, die Kiefer durch einen ersten chirurgischen Eingriff zu weiten. Dabei wird der Ober- und/oder Unterkiefer chirurgisch soweit geschwächt, dass diese durch eine GNE (Gaumennahterweiterungsapparatur) oder Symphysendistraktor geweitet werden können. Durch die Brackets werden die Kiefer ausgeformt und passend zueinander gemacht.

Ist der Patient für die eigentliche Dysgnathieoperation bereit, kann der Eingriff stationär unter Vollnarkose erfolgen. Generell ist es wichtig, einen erfahrenen Chirurgen den komplexen Eingriff durchführen zu lassen. Viele kleine Bausteine ergeben ein Ganzes und führen am Ende zum Erfolg.


Wie lange dauert
die gesamte Behandlung?

Immer wieder hört man, dass eine kombiniert kieferorthopädisch kieferchirurgische Behandlung 2-4 Jahre dauert. Dies ist heutzutage gottseidank nicht mehr so. Durch moderne Zahnspangen und Behandlungstechniken können wir aktive Behandlungszeiten von 1 bis 1,5 Jahren erreichen.

D.h. der Patient ist mit Zahnspange und Operation 1 bis 1,5 Jahre in aktiver Behandlung. Im Anschluss erfolgt dann noch die Retentionsphase, bei der nur noch die herausnehmbaren Nachtspangen getragen und in regelmäßigen Abständen kontrolliert wird. D.h. Sie müssen in der Regel nicht länger als 1 bis 1,5 Jahren mit einer Zahnspange behandelt werden.

Physiotherapie und Osteopathie
als wichtiger Begleiter vor und
nach der Operation

Nach der Dysgnathieoperation ist das Gesicht geschwollen und eine komplexe Wundheilung findet satt. Die Kochen wachsen wie nach einem Bruch zusammen und das Gewebe verheilt nach und nach. Schon bald ist eine weitestgehend normale Funktion der Kiefer wieder möglich und das Essen und Sprechen klappt ganz gut.

Um den Heilungsprozess weiter zu fördern, sind Besuche beim Physiotherapeuten und/oder Osteopathen unmittelbar nach dem chirurgischen Eingriff wichtig. Durch gezielte Lymphdrainage-Behandlungen und sanfte Massagen kann der Heilungsprozess gezielt gefördert werden. Gerne stellen wir Ihnen ein Rezept für die unterstützende Behandlung aus.

Kann eine Kieferoperationen
umgangen werden? Eine Operation der Kiefer, muss das wirklich sein?

Nein, nicht immer! Durch umfangreichere Zahnbewegungen können die Zähne im Kiefer so bewegt werden, dass eine Operation umgangen werden kann. Diese umfangreichen Zahnbewegungen brauchen eine sichere Verankerungsmöglichkeiten während der aktiven Phase der Behandlung. Diese Verankerung kann durch kleine Titanschrauben, sogenannte Mini-Pins oder TAD`s (temporary anchorage device) geschaffen werden.

Die Schräubchen werden unter lokaler Betäubung in den Kiefer inseriert. Ein Schnitt in das Zahnfleisch ist nicht notwendig. Der Vorteil, die Schrauben verwachsen nicht mit dem Kieferknochen und können nach der Behandlung problemlos entfernt werden, oft ohne örtliche Betäubung.

Bereits ab dem Alter von 6 Jahren können sie bei Bedarf in schwierigen Fällen zum Einsatz kommen. Die Patienten schätzen die Art der Behandlungsunterstützung, da in der Regel keine Schmerzen auftreten und der eigentliche Vorgang des Schraubesetzens nur wenige Sekunden dauert.

Diese Schrauben haben im Vergleich zu richtigen Implantaten keine Einheilzeit und können sofort belastet werden. Dadurch kann sich die Behandlungszeit deutlich verkürzen und das Behandlungsziel wird schneller erreicht. „Schraube im Kiefer“ hört sich erstmal dramatisch an, ist aber für die meisten Patient nahezu unproblematisch. Die meisten Patienten sagen: „Man stellt es sich schlimmer vor, als es eigentlich ist“!

Ob eine Operation durch den Einsatz von Ankerschrauben vermieden werden kann, muss individuell durch einen erfahrenen Behandler diagnostiziert werden. Meistens können nur geringe bis maximal moderate Dysgnathien ohne Operation behandelt werden.

Bei moderaten und schwierigen skelettalen Abweichungen ist eine OP meist unumgänglich. Beachten Sie auch, dass durch die moderne Anästhesie und durch minimalinvasive chirurgische Behandlungstechniken das Risiko eines chirurgischen Eingriffs deutlich geringer ist, im Vergleich zu früher.

In der Regel haben die verwendeten Ankerschrauben eine Länge von 8 mm und einen Durchmesser von
1,6 mm. Im Vergleich zu einem Streichholz sind sie sehr klein.